Selbsttötung und Suizidalität

Was bedeutet Suizidalität?
Wie häufig sind Selbsttötungen?
Wie häuig sind Suizidversuche?
Was sind Risikofaktoren?
Welche Rolle spielt der Alkohol?
Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?
Was spricht für ein erhöhtes Suizidrisiko?
Was sind Anzeichen für einen geplanten Suizid?
Wie sollte man suizidgefährdeten Menschen begegnen?
Was kann man im Notfall tun?

Was bedeutet Suizidalität?

Suizidalität umfasst alle bewußten und unbewußten Gedanken, Phantasien, Impulse und Handlungen, die erwägen oder darauf gerichtet sind, den eigenen Tod herbeizuführen.

Suizidalität kann als Ausdruck der Zuspitzung einer seelischen Entwicklung verstanden werden, in der die Menschen hoffnungslos und verzweifelt sind und ihre Situation als ausweglos erleben. Sie fühlen sich oft innerlich zerrissen, überschwemmt von Gefühlen und schwer zu kontrollierenden Gedanken oder Impulsen. Das suizidale Erleben und der Drang, Suizidgedanken in die Tat umzusetzen, kann je nach Persönlichkeit und Problematik des einzelnen Menschen sehr unterschiedlich sein.

Wie häufig sind Selbsttötungen?

Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland ca. 11.000 Menschen das Leben. Im Jahr 2004 waren es 7939 Männer und 2794 Frauen. Diese Zahlen sind deutlich höher als die der Verkehrstoten. In den alten Bundesländern sterben etwa jeder 71. Mann und jede 149. Frau durch Suizid. Im Gebiet der ehemaligen DDR sind es jeder 51. Mann und jede 117. Frau. Die Suizidrate sank aber von 18 711 Fällen im Jahr 1982 auf 9402 im Jahr 2007.

Deutschland 2007:
7009 Männer, 2393 Frauen
Gesamt: 9402

Es existieren in Deutschland deutliche regionale Unterschiede mit höheren Raten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und niedrigeren in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Diese Unterschiede sind nicht auf unterschiedliche Altersstrukturen in den Ländern zurückzuführen und ließen sich schon in statistischen Erhebungen des 19. Jahrhunderts beobachten.

Selbsttötungen im Alter sind wesentlich häufiger als in den jungen Altersgruppen.
Fast jeder zweite Suizid einer Frau ist mittlerweile der einer Frau über 60 Jahre. Es wird vermutet, dass gerade Suizide alter Menschen aufgrund der häufigen Verwendung eher "weicher" Methoden (z. B. Über- oder Unterdosierungen von verschriebenen Medikamenten) nicht als solche erkannt werden und statt dessen eher der Kategorie der unklaren Todesursachen zugeordnet werden. Auch die Rate von Suizidversuchen im Alter steigt an.

Wie häuig sind Suizidversuche

Die Anzahl der Suizidversuche liegt um ein Zehnfaches über der der vollendeten Selbsttötungen. Die Altersverteilung der Personen mit Suizidversuchen ist der der Suizide entgegengesetzt. Die höchsten Raten sind für die jüngeren Altersgruppen, besonders bei den weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen zwischen 15 und 30 Jahren, zu ermitteln. Dazu kommen noch indirekte selbst zerstörerische Handlungen: In der Jugend (Auto-) Unfälle und im Alter Nichtbefolgung ärztlicher Anweisungen

Was sind Risikofaktoren?

Soziale Instabilität und Armut sind bedeutende Risikofaktoren für suizidales Verhalten.

Personen, die einen Suizidversuch unternommen haben, leben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger in der Stadt als auf dem Land. Die Suizidversuchsraten von geschiedenen und ledigen Personen sind deutlich höher als die von verheirateten, gefährdet sind eher Personen mit niedriger Schul- und Berufsausbildung sowie Arbeitslose.
Ein weiterer bedeutender Risikofaktor ist eine psychische Erkrankung. Bei Depressionen und schizophrenen Psychosen sowie bei chronischem Alkoholismus findet sich ein hohes Suizidrisiko. Frühere Selbstmordversuche sind auch ein wesentlicher Risikofaktor für weitere Suizidversuche und Suizid.

Welche Rolle spielt der Alkohol?

Trinkfestigkeit bedeutet Männlichkeit. Der Teufelskreis Alkoholismus und Depression drückt sich darin aus, dass es ca. 2,5 Mio. Alkoholabhängige in Deutschland gibt, 2,5 mal mehr Männer als Frauen. Alkohol dient zur Maskierung depressiver Symptome, sozusagen als Selbstheilungsversuch. Die Depression findet sich dafür deutlich häufiger bei Frauen. Bei den Amish people, eine Glaubensgemeinschaft in den USA, die nach strengen Regeln wie im 18. Jahrhundert lebt, und orthodoxen Juden sieht das anders aus. Es gibt keinen Alkoholkonsum, die Häufigkeit von Depressionen ist bei Männern und Frauen gleich.

Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?

Männer begehen drei mal häufiger als Frauen Suizid, umgekehrt unternehmen Frauen drei mal häufiger Suizidversuche. Dieses Phänomen wird als Geschlechterparadox bezeichnet.

Suizidversuche   w : m = 3 : 1
Suizide              w : m = 1 : 3

Ein Erklärungsversuch ist, dass bei Männern die Stressbewältigung im Rahmen sozialer männlicher Normen nicht funktioniert. Sozial erwünscht sind bei Männern demnach Eigenschaften wie Mut, Erfolg, Ehrgeiz usw. Noch akzeptiert werden Aggressivität, Ärger, Feindseligkeit, Risikoverhalten. Für Männer verboten sind Angst, Unsicherheit, Hilflosigkeit, Traurigkeit. Hilfeersuchen bedeutet also einen Verlust von Männlichkeit.

Was spricht für ein erhöhtes Suizidrisiko?

- Frühere Suizidversuche oder suizidale Äußerungen
- Vorkommen von suizidalen Handlungen oder Androhungen im Bereich der Verwandtschaft oder näheren Umgebung (Nachahmungseffekt, Sogwirkung, Identifikationsneigung)
- offene oder versteckte Suizid-Drohungen
- Äußerungen konkreter Vorstellungen über Vorbereitung oder Ausführung
- Selbstvernichtungs- und Katastrophenträume
- "unheimliche Ruhe" nach vorangegangener suizidaler Unruhe, Aufgewühltheit und Zerrissenheit
- ängstlich-gespanntes oder getriebenes Verhalten
- langdauernde, zermürbende Schlafstörungen
- unterdrückte Gefühlsausbrüche und Aggressionsstauungen
- Beginn oder Abklingen depressiver Phasen
- biologische Krisenzeiten: Pubertät, Schwangerschaft, Stillzeit, Wechseljahre, Rückbildungsalter
- schwere Schuld- und Unfähigkeitsgefühle
- unheilbare Krankheit oder Wahnvorstellung von einer unheilbaren Krankheit
- Alkoholismus, Rauschgiftsucht, Medikamentenabhängigkeit, Mehrfachabhängigkeit
- familiäre Probleme in der Kindheit (Trennung, Scheidung, Tod eines Elternteils, Stiefeltern, Heimaufenthalt)
- Fehlen oder Verlust mitmenschlicher Kontakte (Vereinsamung, Entwurzelung, Liebesenttäuschung)
- berufliche und finanzielle Schwierigkeiten
- Fehlen eines Aufgabenbereichs und Lebensziels
- Fehlen oder Verlust tragfähiger religiöser Bindungen

Was sind Anzeichen für einen geplanten Suizid?

- Selbstverstümmelung
- Hoffnungslosigkeit, Abwendung von der Zukunft
- Brüche im Verhalten (z.B. in der Schule, am Arbeitsplatz)
- Auffällige Zunahme von zwanghaftem Verhalten
- Plötzliches Auftreten von Sprunghaftigkeit, Impulsivität
- Unerwartetes und grundloses Verschenken von persönlichen Gegenständen
- Rückzug von Freunden und sonstigen Aktivitäten
- Möchte nicht mehr berührt werden
- Gleichgültigkeit gegenüber äußerem Auftreten
- Weglaufen
- Risikoverhalten, Unfallgefährdung
- Offensichtliche Zeichen von psychischer Erkrankung
- Verbale oder schriftliche Hinweise auf Todessehnsucht
- Äußern von Sterbensgedanken
- Gleichgültigkeit gegenüber Leben und Tod

class="roteschrift">Wie sollte man suizidgefährdeten Menschen begegnen?

11 wichtige Hinweise

1. Den eigenen Gefühlen trauen
Vertrauen Sie Ihren eigenen Gefühlen, wenn Sie mit einem Menschen in Kontakt sind, der suizidgefährdet ist. Nehmen Sie Ihre eigenen Gefühle ernst, denn Sie können Ihnen ein guter Ratgeber sein.

2. Nach Suizidgedanken fragen
Trauen Sie sich! Fragen Sie nach, ob der betroffene Mensch Gedanken hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Es stimmt nicht, dass Menschen durch diese Frage erst recht gefährdet sind. Das Ansprechen von Suizidgedanken hilft dem betroffenen Menschen, sich aussprechen zu können.

3. Aussagen ernst nehmen
Nehmen Sie suizidale Aussagen ernst! Es stimmt nicht, dass Menschen, die mehrmals von Suizid sprechen, sich nichts antun.

4. Zuhören als wichtigste Hilfe
Erwarten Sie von sich selber keine Wunder! Interessiertes zuhören ist fast immer die erste und wichtigste Hilfe. Sie ermöglichen so, dass der betroffene Mensch erste Entlastung findet.

5. Entlasten - nicht Probleme lösen
Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, die Probleme des suizidgefährdeten Menschen lösen zu wollen! Sich aussprechen bringt den Betroffenen Entlastung.

6. Verantwortung teilen
Bürden Sie sich selber nicht zu viel Verantwortung auf! Teilen Sie die Verantwortung mit anderen Personen. Holen Sie sich Unterstützung bei Verwandten, Freunden oder professionellen Helfern des suizidgefährdeten Menschen.

7. Grundhaltung: engagierte Gelassenheit
Erlauben Sie sich nebst dem Engagement und der verständlichen Besorgnis auch Gelassenheit und Zeit. Drängen Sie sich nicht selber dazu, schnell reagieren zu müssen.

8. Stellung beziehen ohne zu (ent-)werten
Beziehen Sie Stellung! Verurteilen und bewerten Sie die Suizidgedanken oder Suizidabsichten nicht! Das könnte etwa so klingen: "Ich verstehe, dass Du Dich verzweifelt und hoffnungslos fühlst in dieser Situation. Ich sehe, was Dich belastet. Ich möchte Dir aber helfen, am Leben zu bleiben, damit eine Veränderung überhaupt möglich ist."

9. Grenzen der eigenen Belastbarkeit
Achten Sie auf die Grenzen Ihrer Belastbarkeit! Kurzfristig ist ein hohes Engagement oft sinnvoll, langfristig jedoch besteht die Gefahr der Überforderung.

10. Grenzen der Machbarkeit
Letztendlich liegt es nicht in Ihrer Hand, den Suizid eines Menschen zu verhindern.

11. Hilfe durch professionelle Helfer
Suizidalität hat viele Ursachen. Motivieren Sie die suizidgefährdete Person, sich durch Fachleute helfen zu lassen. Nehmen Sie selber mit Fachleuten Kontakt auf, wenn Sie Fragen haben, sich unsicher fühlen oder wenn dringend Hilfe nötig ist.

Was kann man im Notfall tun?

Bleiben Sie bei der gefährdeten Person, lassen Sie anderen Verpflichtungen warten. Versuchen Sie mit ihr im Gespräch zu bleiben und Zeit zu gewinnen.

Versuchen Sie weitere Personen einzubeziehen, die Sie jetzt gerade unterstützen könnten.

Ziehen Sie unbedingt Fachleute bzw. Fachinstitutionen oder den Hausarzt der betreffenden Person hinzu. Diese professionellen Personen können Ihnen bereits am Telefon Anweisungen im Umgang mit suizidgefährdeten Menschen geben und Sie auch über die nächsten Schritte informieren.

(Quelle: Forum für Suizidprävention und Suizidforschung Zürich)

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